Wenn Meta keine Gesichter mehr Mark
Wenn die Worte “Facebook” und “Datenschutz” gemeinsam in einer dpa-Meldung zu finden sind, so ist dies im Normalfall ein Auslöser schlafloser Nächte für sämtliche Menschen, die Aktien dieses Unternehmens halten und ein gefundenes Fressen für die nächste Sascha-Lobo-Kollumne. Zu lang und - einige würden sagen “peinlich” - ist die Geschichte des Unternehmens auf diesem Gebiet. Umso mehr überraschte es, als Facebook - pardon: Meta - Anfang November bekannt gab, dass man sämtliche “Gesichtsabdrücke”, über eine Milliarde an der Zahl löschen wolle. Oder um es mit den, von NYT-Cybersecurity-Reporterin Kashmir Hill auf Twitter geäußerten Worten auszudrücken: “My jaw dropped to the floor”. So ging es wohl nicht wenigen, um nicht zu sagen: allen, die das Thema verfolgen. Trotz dieser, auf den ersten Blick positiven Nachricht blieb, wie es bei der Vorgeschichte des Unternehmens nicht anders zu erwarten ist, ein fader Nachgeschmack; warum sollte ein Unternehmen, welches FACEbook heißt (hieß) und den Begriff “Datenkrake” geprägt hat, wie wohl nur wenige andere, freiwillig auf Gesichtserkennung verzichten, gerade, wenn man mit dem Metaverse die Weichen bereits Richtung VR-SocialMedia gestellt hat? Hier nicht auf Biometrische Gesichtsdaten zurückzugreifen, kurz nachdem eine Kooperation mit Sonnenbrillenlegende RayBan eingegangen wurde, ist in etwa so, als würde Tesla keine Batterien mehr herstellen - oder die FIFA auf Geld vom Persischen Golf verzichten. Die naheliegende Frage ist also: Wo ist der Haken?
Nun, bei näherem Hinsehen ergeben sich mehrere Punkte, welche die erste Euphorie ob dieser Mittelung als verfrüht erscheinen lassen.
- Der Zeitpunkt: Das Timing der Mitteilung ist … ähm, auffällig. Es fiel nämlich in eine Phase, in der Zuckerbergs Unternehmen im medialen Kreuzfeuer stand wie lange nicht. Das Wall Street Journal hatte gerade die “Facebook Files” veröffentlicht, geleakte, interne Dokumente (an dieser Stelle: danke an Frances Haugen), die belegen, dass das Unternehmen um die schädliche Wirkung (Steigerung von Depressionen bei Minderjährigen, Verstärkung von Hass und Polarisierung der Gesellschaft, Cybermobbing etc.) der eigenen Produkte wusste und dies ignoriert hat. Versuche der PR-Abteilung, den Schaden einzugrenzen schlugen größtenteils, und teilweise grandios, fehl. Auch werden als Nachwehen dieser Veröffentlichung Verschärfungen der chronisch laxen und unübersichtlichen Privatsphärenrechte in den USA für so wahrscheinlich wie lange nicht gehalten - etwas was das Unternehmen, welches mal als Facebook bekannt war, je nach Grad der Verschärfung, schwer treffen könnte.
- Das Kleingedruckte: Das Löschen der Daten betrifft nur Facebook (das soziale Netzwerk), nicht aber die anderen Firmen, welche zur Meta-Familie gehören, hervor zu heben sind hier Instagram und das Metaverse, oder gehören werden - ein kleines Detail, welches unwillkürlich das Bedürfnis hervorruft, laut “Mogelpackung” zu rufen. Auch hier drängt sich also die Idee auf, dass es sich lediglich um einen PR-Stunt handeln könnte, zumal mit der öffentlich verlautbarten Mitteilung der Druck auf Mitbewerber, allen voran Amazon, verschoben wird, freiwillig schärfere interne Richtlinien und Regeln zu erlassen, um sich präventiv aus der medialen Schusslinie zu retten.
- Der Hintergrund der Sammlung: An dieser Stelle ein kurzer Ausflug in die Welt der KI: Will man eine künstliche Intelligenz trainieren, beispielsweise auf Bilderkennung, so hat sich in den letzten Jahren das Prinzip Deep Learning durchgesetzt. Hierbei zeigt man dem zu trainierenden Programm eine große Anzahl Bilder und liefert die Beschreibung mit. Der Lernalgorithmus erkennt Muster und ist so in der Lage, das Abgebildete zu erkennen. Falls in Ihnen beim Lesen eine gewisse Vorahnung aufkeimt, so geschieht dies vollkommen zurecht. Facebook saß auf einer großen Menge Gesichtsbilder, welche dazu benutzt wurden die Gesichtserkennungs-KI (“DeepFace”) zu trainieren. Überspitzt ausgedrückt haben diese Bilder nun ihren Zweck erfüllt, werden nicht mehr benötigt und müssen nun keine Speicherkapazitäten mehr ausfüllen. DeepFace wird laut New York Times allerdings in Benutzung bleiben (und im Zweifelsfall bestimmt auch an zahlende Kunden weiterverhökert werden).
- Schuld und Sühne: Achso, natürlich könnte in die Entscheidung auch mit herein gespielt haben, dass die Firma, die damals noch Facebook hieß, im Februar eine Strafe von 650 Millionen US-Dollar zahlen musste - weil das Gesichtserkennungs-Feature US-Privatssphären-Recht verletzt…
Was ist also die Moral von der Geschicht'? Wenn Facebook eine Pressemittelung ausgibt, die eigentlich zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist dies vermutlich auch der Fall, wenn man erstmal einen Blick ins Kleingedruckte wirft, was zwar nicht gut für die Augen ist, zur Einordnung des Gesamtkontextes sich aber oftmals als unerlässlich herausstellt.